REINE FORMSACHE. VOM BAUHAUS-IMPULS ZUM DESIGNLABOR AN DER BURG GIEBICHENSTEIN

04.10. 2018

REINE FORMSACHE.

VOM BAUHAUS-IMPULS ZUM DESIGNLABOR AN DER BURG GIEBICHENSTEIN

Sonderausstellung, vom 09.03. bis 06.10.2019

Eine reine Formsache ist es nicht, wenn sich das Porzellanikon – Staatliches Museum für Porzellan als größte europäische Institution ihrer Art zum Bauhausjahr ein Projekt vorgenommen hat, welches sich gleich an beiden Standorten des Museums (Hohenberg an der Eger und Selb) dem Porzellandesign an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle widmet: Innerhalb des großen Ausstellungsprojektes REINE FORMSACHE verschränken sich zwei Ausstellungsteile zu einem Bild des Woher und Wohin, der Impulse, Folgen und Wirkungen.

Die Fragen über die Zukunft des Porzellans werden in beiden Ausstellungsteilen mittels facettenreicher gestalterischer Antworten und Hintergrundinformationen illustriert und pendelt (damals wie heute) zwischen Tradition und Moderne, Handwerk und Industrie, digital und analog, Experiment und Form und zeigt das Porzellan in seiner jeweiligen kulturellen Verankerung mal als zeitgemäßes, mal als zeitloses Formengut.

 

Chronik _ Ausstellungsteil Hohenberg an der Eger:

Mit dem Umzug des Bauhauses 1925 aus Weimar nach Dessau sollte – so von Gropius propagiert – eine stärkere Orientierung der Bauhaus-Ausbildung in Richtung industrielle Serienfertigung fokussiert werden. Die zu dieser Zeit noch sehr handwerklich arbeitende Keramikwerkstatt (damals in Dornburg angesiedelt, unter der Leitung von Max Krehan) wurde mit diesem Umzug nicht weitergeführt und so entschlossen sich zwei der damaligen Lehrlinge dieser Dornburger Werkstatt, Marguerite Friedlaender und Gerhard Marcks, an die (vier Jahre vor dem Bauhaus gegründete) Kunstgewerbeschule nach Halle zu gehen. Hier gab es bereits eine gut organisierte und fest ins Lehrprogramm integrierte Töpferwerkstatt welche, dank der guten Verbindungen Marguerite Friedlaenders zur Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin und deren Unterstützung, bereits nach kurzer Zeit zur Porzellanwerkstatt ausgebaut wurde. Sowohl Friedlaender als auch Marcks entwickelten in Folge dieser Kooperation Porzellangeschirre für die KPM, welche noch heute zum festen Repertoire der Berliner Manufaktur gehören. Ein weiterer Bauhäusler, Wilhelm Löber, war nach der Schließung der Dornburger Werkstatt erst Modelleur bei der KPM, dann Meisterschüler in Halle bei Marcks.

Die generelle Nähe – inhaltlich wie räumlich – der Burg Giebichenstein mit dem Bauhaus (es gab einen regen Austausch zwischen Halle und Dessau) wird im Ausstellungsteil „Chronik“ als Impuls aufgegriffen und nachgezeichnet. Die Burg Giebichenstein ist, neben dem Bauhaus, die einflussreichste deutsche Kunstschule und bis heute lebendige Hochschule. Die Hallesche Porzellanwerkstatt entwickelte sich seit den Anfangsjahren stetig weiter, wurde zur Fachrichtung Gefäßgestaltung, heute Studienrichtung Keramik-/Glasdesign und brachte eine Vielzahl an Porzellandesignern hervor.

So zeigt der Ausstellungsteil „Chronik – Die Porzellanentwürfe ausgewählter Lehrer und Absolventen 1915 bis heute“ in Hohenberg spannende Porzellanentwürfe für die Serie und spannt den Bogen zwischen historischem Impuls und zeitgemäßer Relevanz. Die „reine Formsache“ als Haltung und Botschaft strahlte aus über die Generationen der Lehrenden, überdauerte die Zeit des Nationalsozialismus, legte den Grundstein für ein modernes DDR-Design und spiegelt sich in den Entwürfen der Absolventen heute. Ausgehend von den Impulsgebern wie Marguerite Friedlaender-Wildenhain und Gerhard Marcks, über Ilse Decho, Hans Merz und Hubert Petras als spannende Protagonisten der industriellen Formgestaltung in der DDR bis hin zur aktuellen Generation der Designer, die heute dem Porzellan sein Gesicht geben, wie Barbara Schmidt, die eine Vielzahl der Produkte von KAHLA Thüringen Porzellan verantwortet und ihrerseits heute an der Weißensee Kunsthochschule Berlin lehrt oder Heike Philipp, Entwerferin für den weltweit bedeutendsten Profiporzellanhersteller BHS-Tabletop oder Chiharu Nagai, Professorin an der Seto Universität in Japan, lädt der Ausstellungsteil „Chronik“ zum Erfahren und Nachspüren der formalen Gefäßbiografien wie Haltungen der Gestalter ein.

 

DesignLab _ Ausstellungsteil Selb:

Der Ausstellungsteil „Designlab – Die Porzellanvisionen der Studierenden heute“ am Standort Selb stellt das Experiment mit dem Werkstoff Porzellan in den Fokus. Dabei werden aus studentischer Perspektive Zukunftspotentiale des Porzellans ausgelotet. Kreative Neukombination und Perspektivwechsel prägen die ausgestellten Studienarbeiten der letzten 10 Jahre des Keramik-/Glasdesigns der Burg Giebichenstein. Sie reflektieren neueste Formen, Ideen, Anwendungsgebiete und experimentelle Forschungsergebnisse. Dabei beziehen sich die Ausstellungsobjekte auf den radikalen Wandel der Porzellanindustrie in Europa und die enormen Veränderungen in den Ernährungs- und Gebrauchsgewohnheiten. Fragen über die Zukunft des Porzellans, über Chancen und Möglichkeiten der Branche sind für die Studierenden allgegenwärtig.

Zentral für ihre Suche nach Antworten sind die Materialforschung, die Entdeckung neuer Schnittstellen zu den Materialwissenschaften und neue Technologien. Neben dem keramischen 3D Druck werden Modellkerne gedruckt, abgeformt, abgegossen und händisch weiterbearbeitet. Lasern, fräsen, drucken, cuttern, einst untypische Verfahren zur Porzellanherstellung, sind mittlerweile zu selbstverständlichen Gestaltungsmitteln in der Keramik avanciert. Die Ausstellungsobjekte veranschaulichen wie das Ausloten zwischen digitalen und analogen Verfahren wie auch deren sinnhafter Verschmelzung. Innovative Konzepte entstehen durch gewerkübergreifendes Arbeiten und interdisziplinären Ideentransfer. Dieses Cross-Over-Prinzip lässt das Porzellan im 21. Jahrhundert ankommen.

Auch die Kombination von Porzellan mit anderen Materialien ermöglicht neue zukunftsfähige Anwendungsfelder jenseits des Gedeckten Tisches. Beton, Holz, Metall, Textil sind dabei nur einige spannungsreiche Partner für das Porzellan.

Doch dies funktioniert nur durch eine fundierte und konstante Auseinandersetzung mit allen Verfahren zur Porzellanherstellung und dem tiefen Verständnis für die Porzellaneigenschaften: So wird die Transluzenz ins rechte Licht gerückt und eine Vielzahl von Leuchtenlösungen erstrahlen in der Ausstellung. Auch die so typische Porzellanschwindung wird sich zu eigen gemacht und verschmilzt Gefäße untrennbar miteinander, die doch ineinander beweglich bleiben.

Heute verstehen sich die Werkstätten des Keramik-/Glasdesigns als „Labs“, als Orte der experimentellen Materialerkundung, an welchen die Studierenden Materialgrenzen und Möglichkeiten ausloten. Diese Erfahrungen werden wiederum formal überprüft und verwandeln sich vom Experiment in eine konkrete Form. Nicht zuletzt dienen die Werkstätten der handwerklichen Auseinandersetzung und der individuellen Vervollkommnung junger Gestalter-Persönlichkeiten.

Die Ausstellungsobjekte veranschaulichen eine neue Wertschätzung des traditionsreichen Porzellans. Die ungebrochene Begeisterung der Studierenden für das sinnliche und so „greifbare“ Material und die Faszination der Formfindung prägt die Studienrichtung Keramik-/Glasdesign bis heute. Die Studierenden hinterfragen fortwährend formale und funktionale Qualitäten und gleichen sie mit veränderten Gebrauchsgewohnheiten, Bedürfnissen und Problemen der Zeit ab. Mit diesem Wissen finden sie Lösungen in Formen und Funktionen, die dem Zeitgeist entsprechen. Die Ausstellung spiegelt wider, wie modern Porzellan sein kann!

Kuratorin: Für diesen Ausstellungsteil konnten wir Dipl. Des. Steffi Auffenbauer als externe Kuratorin gewinnen. Sie ist eng verbunden mit der Studienrichtung Keramik-/Glasdesign an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. In den letzten sechs Jahren konzipierte und leitete sie dort zahlreiche Lehrveranstaltungen. Während ihres Studiums im Keramik-/Glasdesign, wie auch in eigenständiger Designarbeit, erarbeitete sie sich ein profundes Wissen zu aktuellen wie visionären Perspektiven des Porzellandesigns.

  • MGÜ: Methodische Gestaltungsübungen
  • SoSe: Sommersemester

 

Das Rahmenprogramm begleitend zur Ausstellung:

Ein differenziertes Vermittlungsprogramm ergänzt vor allem die inhaltlichen, aktuellen Fragestellungen sowohl für ein breites Museumspublikum wie den professionellen Designakteur.

Unterstrichen wird die herausragende Bedeutung des Projektes durch den Sitz des Porzellanikons: Selb, der einstigen „Weltstadt des Porzellans“. Hier sind bis heute Unternehmen wie Rosenthal und BHS-Tabletop angesiedelt. Gleichzeitig ist Selb ein Kreativzentrum für modernes und international führendes Porzellandesign.

  1. Begleitveranstaltungen mit besonderem Bezug zu den Themen und Akteuren:

Talk im Porzellanikon „Woher – Wohin? Vorbilder, Themen, Prozesse der Porzellangestaltung damals und heute“ in Zusammenarbeit mit bayern design GmbH, diskutiert werden z. B. Das Erbe der Moderne – Relevanz für heutige Designstrategien? / Weg vom Tisch! – neue Anwendungsperspektiven für ein klassisches Material

-> Talk im Porzellanikon (Podiumsdiskussion) am 09.05.2019

-> Art after Work, Hohenberg am 06.06.2019

-> Art after Work, Selb am 19.09.2019

 

  1. Museumspädagogisches Programm:

-> Exklusive Führungen durch die jeweiligen Ausstellungsteile unter besonders spannenden Fragestellungen durch die Kuratoren sowie Führungskonzepte für regionale Schulen und Gymnasien zu Grundlagen des Design und der Bedeutung des Bauhauserbes

Exklusive Führungen 2019: 07.04. / 05.05. / 02.06. / 07.07. / 04.08. / 01.09. / 06.10.

 

  1. Designveranstaltungen in Zusammenarbeit mit der Burg Giebichenstein Halle:

-> Studenten und Absolventen führen durch ihre Ausstellung

-> Eine Studienrichtung stellt sich vor

 

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